Filmszene Aktuell

Filmreihe Köln mit dem Thema „Elternschaft“ in den Lichtspielen Kalk

„Kinder sind die Zukunft“ lautet ein allgemeines, aber durchaus gültiges Mantra. Nachdem die Filmreihe Köln bei ihren letztjährigen Veranstaltungen das Thema „Zukunft“ in den Fokus rückte, ist es 2023 das Thema „Elternschaft“, welches – siehe das eingangs genannte Mantra – durchaus in Verbindung damit steht. Dabei geht es nicht allein um den Zustand des Elternseins, sondern auch damit verbundene Themenkomplexe wie Kinderlosigkeit oder nichtbiologische Wahlverwandtschaften. Wie schon im Vorjahr werden die drei Kurzfilmprogramme in den Lichtspielen Kalk gezeigt, am 11., 18. und 22. Oktober. Kurator*innen der Reihe sind Lisa Bosbach, Dominik Bühler, Maria Engelskirchen und Corinna Kühn.

Aschermittwoch (1989) / Copyright: DEFA-Stiftung

„Wir haben in uns in den letzten Jahren in unseren Programmen immer wieder mit Themen beschäftigt, die aktuell in der Gesellschaft verhandelt und neu gefasst werden. Nach dem Fokus auf UTOPIEN (2021) und ZUKUNFT (2022) erschien uns – gerade unter dem Gesichtspunkt der Progressivität – ein Blick auf ELTERNSCHAFT sehr spannend“, erklärt Dominik Bühler. „Die Filmreihe Köln bezieht immer auch queer-feministische, gesellschaftspolitisch als progressiv erachtete Themen ein. Dazu kommt, dass unser persönlicher Alltag als Eltern, Tanten, Geschwister, Kinder oder im Kontext von Freundschaften in den letzten Jahren stark durch Kinder und Elternschaft geprägt ist und wir uns auch privat oder in anderen beruflichen Kontexten (z.B. Universität) mit den Themen Elternschaft und Care-Arbeit beschäftigen.“

„Generell bringen wir immer unterschiedliche Genre, Gattungen, Blickwinkel und historische sowie künstlerische Formen zusammen, stellen sie gegenüber und bringen sie in den Austausch“, beschreibt der Kurator das Konzept der Filmreihe. Seine Kollegin Maria Engelskirchen ergänzt: „Obwohl wir das thematische Spektrum von vorneherein recht breit angelegt und uns für Formen von Elternschaft jenseits der heteronormativen Kleinfamilie interessiert haben, fiel uns beim Recherchieren und Sichten auf, wie vielseitig und komplex Familienmodelle sind; wie schwer es ist, Elternschaft in vorgefasste Kategorien einzuordnen; vor allem auch, wie spezifisch das Interesse vieler Filmemacher*innen für die Thematik. Anstatt des Versuchs, die Diversität des Themas in unserem Programm umfänglich abzubilden, spüren wir bestimmten Aspekten nach: In den ausgewählten Filmen geht es um biologische und soziale Elternschaft, Nicht- oder Nicht-mehr-Elternschaft, alleinerziehende Eltern, die Bandbreite elterlicher Verantwortung (emotional, ökonomisch, …), aber auch um die Loslösung von den Eltern sowie den Blick auf die alternden Eltern.“

Nr. 1 – Aus der Berichten der Wach- und Patrouillendienste (1984)

Engelskirchen fährt fort: „Die Kriterien, nach denen wir die Filme ausgewählt haben, haben sich erst im Laufe des Sichtungsprozesses herauskristallisiert. Hierbei haben bestimmte Motive eine Rolle gespielt, z.B. die Bindung/Loslösung von den Eltern, die Ulrike Rosenbach und Dina Velikovskaya ganz bildlich umgesetzt und spürbar gemacht haben. Es ging uns aber auch darum, bewusste Kontraste zu erzeugen: So werden z.B. unerfüllte Kinderwünsche, die zum Teil mit kostspieligen reproduktionstechnologischen Methoden einhergehen, den ökonomischen Nöten bei der Versorgung der Kinder gegenübergestellt.“

Am Mittwoch, den 11. Oktober, lautet das Thema des Abends ab 19 Uhr „Elternschaft – Acts of Tenderness“. Es geht um das Elternsein, aber auch die Veränderungen, die Kinder und Eltern während ihres gemeinsamen Zusammenlebens durchmachen. Der älteste Beitrag ist von 1979, Rajendo Gours My Child My Child, und berichtet vom Leben eines Babys in Singapur zu jener Zeit. Der neueste Beitrag, Thanasis Neofotistos‘ Leoforos Patision (2018), ist fast 40 Jahre später entstanden. Der längste Film des Abends, Opp ned er alt abstrakt, sa Pappa (2014), dauert 32 Minuten und ist ein dokumentarisches Stück, in dem Regisseurin Anne Haugsgjerd auf ihren verstorbenen Vater, einen vielseitigen wie produktiven Maler zurückschaut. Auch ein Musikvideo ist als Kurzfilm dabei: Dear Mama (1995) zum gleichnamigen Song von 2Pac alias Tupac Shakur, in dem der Künstler über sein Aufwachsen unter schwierigen Bedingungen und die schwere Bürde seiner Mutter rappt. Ein Jahr nach Veröffentlichung des Songs wurde Rapper erschossen, erst jetzt, fast 30 Jahre später, gibt es eine Anklage gegen einen Verdächtigen.

Eine Woche später heißt es: Selbe Zeit, selber Ort. Ab 19 Uhr steht der Abend am Mittwoch, den 18. Oktober unter dem Motto „Elternschaft – On Fire“. Hier geht es um die Krisen des Elternseins – und der Nicht-Elternseins. So schildert Regisseurin Lori Felker in Spontaneous (2020) die Geschichte ihrer selbst erlebten Fehlgeburt, während sich die Hauptfigur in Maria Trigo Teixeiras animiertem Inside Me (2019) für eine Abtreibung entscheidet. Auch andere Tücken von Mutter- und Vaterschaft werden angesprochen: In Nr. 1 – Aus der Berichten der Wach- und Patrouillendienste (1984) fiktionalisiert Helke Sander die wahre Geschichte einer Mutter, die bei der verzweifelten Suche nach Wohnraum mit ihren Kindern auf einen Baukran kletterte und mit Selbstmord drohte. In Wer war zuletzt am Kühlschrank? (2020) sucht ein Vater ein WG-Zimmer für sich und seinen Sohn.

Planet Willi (2015) / Copyright: Sören Wendt

Dass der dritte Themenblock „Eltern, Kinder, Familie“ am Sonntag, den 22. Oktober, um 14 Uhr stattfindet, hängt mit einer Neuerung zusammen: Erstmals bietet die Filmreihe ein Kurzfilmprogramm für Kinder ab 4 Jahren an. Daher sind die Filme hier auch kürzer, maximal zehn Minuten lang, wie im Falle von Planet Willi (2015), der das gleichnamige Inklusions-Kinderbuch von Birte Müller adaptiert. Die meisten sind kürzer, etwa der Dreiminüter Einschlafgeschichten: Brücken (1977), dem ersten Film aus Harun Farockis fünfteiliger Einschlafgeschichten-Reihe. Laut Bühler führten zwei Punkte zur Schaffung dieser Innovation: „Zum einen ist Elternschaft immer verbunden mit Kindern, ihren Blickwinkeln und den Angeboten, die Eltern an sie machen. Zum anderen gibt es nur selten Filmprogramme im Kino für kleinere Kinder, für die es zu früh ist, lange Kinofilme zu sehen. In dieser Hinsicht wertschätzen wir die Kurzfilmprogramme vom Kurzfilmfestival Köln (KFFK), von Cinepänz (Junges Filmfestival Köln) und vom Internationalen Film Fest Dortmund + Köln (IFFF) sehr. Sie geben punktuell auch Kleinkindern die Möglichkeit, sich ans Kino heranzutasten und filmisch zu bilden. Dieses Angebot möchten wir mit dem thematischen Fokus ergänzen.“

Das komplette Programm:

Mittwoch, 11. Oktober 2023, 19 Uhr, Lichtspiele Kalk
ELTERNSCHAFT – ACTS OF TENDERNESS

MY CHILD MY CHILD, Rajendra Gour, 1979, 12 Min.
O! FORTUNA! WORK IN PROGRESS I-VI, Karin Berger, 2017, 12 Min.
CLUMSY LITTLE ACTS OF TENDERNESS, Miia Tervo, 2015, 9 Min.
LEOFOROS PATISION, Thanasis Neofotistos, 2018, 12 Min.
EINWICKLUNG MIT JULIA, Ulrike Rosenbach, 1972, 5 Min.
TIES, Dina Velikovskaya, 2019, 7 Min.
DEAR MAMA (2PAC), Lionel C. Martin, 1995, 5 Min.
ELTERN (MUTTER/VATER), Friedl vom Gröller, 1997-1999, 6 Min.
OPP NED ER ALT ABSTRAKT, SA PAPPA, Anne Haugsgjerd, 2014, 32 Min.

Mittwoch, 18. Oktober 2023, 19 Uhr, Lichtspiele Kalk
ELTERNSCHAFT – ON FIRE

INSIDE ME, Maria Trigo Teixeira, 2019, 5 Min.
SPONTANEOUS, Lori Felker, 2020, 14 Min.
TORNAR-SE UM HOMEM NA IDADE MÉDIA, Isadora Neves Marques, 2022, 22 Min.
WOCHENBETT, Henriette Rietz, 2020, 5 Min.
MOMS ON FIRE, Joanna Rytel, 2016, 13 Min.
WER WAR ZULETZT AM KÜHLSCHRANK? 1. DIE NEUEN, Kathrin Albers/Henning Thomas, 2020, 4 Min.
NR. 1 – AUS BERICHTEN DER WACH- UND PATROUILLENDIENSTE, Helke Sander, 1984, 11 Min.
MAMA VIRTUAL: ANA & ALEYDA, Jeny Amaya, 2018, 13 Min.
ASCHERMITTWOCH, Lew Hohmann, 1989, 19 Min.

Sonntag, 22. Oktober 2023, 14 Uhr, Lichtspiele Kalk
ELTERN, KINDER, FAMILIE – Kurzfilmprogramm für Kinder ab 4 Jahren

ICH HABE KEINE ANGST!, Marita Mayer, 2022, 7 Min.
PLANET WILLI, Sören Wendt, 2015, 10 Min.
EINSCHLAFGESCHICHTEN: BRÜCKEN, Harun Farocki, 1977, 3 Min.
FLIPPED, Hend Esmat/Lamiaa Diab, 2018, 5 Min.
DANS LA NATURE (IN DER NATUR), Marcel Barelli, 2021, 5 Min.
IMMER MUSS ICH ALLES SOLLEN (GISBERT ZU KNYPHAUSEN), Marlène Colle/Stephanie Scheubeck, 2015, 5 Min.
LISTEK (BLATT), Aliona Baranova, 2020, 6 Min.
EINSCHLAFGESCHICHTEN: SCHIFFE, Harun Farocki, 1977, 3 Min.
MÜDE (D!E GÄNG), Martin Carolus Zillmann, 2017, 3 Min.

Eintritt: 9,00 Euro (ermäßigt 7,00-8,00 Euro)
Kinderprogramm: Kinder 4,00 Euro, Erwachsene 6,50 Euro (ermäßigt 5,50 Euro)

Alle Infos zum Programm gibt es auf den Webseiten der Lichtspiele Kalk und der Filmreihe Köln.

Headerbild: Wer war zuletzt am Kühlschrank? (2020)

Nils Bothmann

Veranstalter*innen..

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